KINOJUWELEN: Savoy Filmtheater (DE)

Der Steindamm in Hamburg war über viele Jahre hinweg eine pulsierende Kulturmeile mit Varietees und Kinos, die jedoch in den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges nahezu komplett zerstört wurden. Anfang der 50er Jahre wurde beschlossen den Straßenzug als Wohn- und Geschäftsgebiet wieder aufzubauen. 1955 und 1956 wurden zwei neue Gebäudeblöcke errichtet. Jenes mit der Hausnummer Steindamm 54 wurde als zeittypischer Klinkerbau mit gemischter Hotel- und Kino-Nutzung angelegt und hieß fortan Savoy. Der 1914 in Hamburg geborene Filmkaufmann Herbert Steppan wurde Inhaber des Kinos und holte sich für sein neues Kinodesign Inspiration aus den USA, wo er sich das damals gerade neu konzipierte 70-mm-Breitwand Vorführsystem präsentieren ließ. Nach seinen Vorgaben bauten schließlich die beiden Berliner Architekten Paul Schlüter und Joachim Glüer das neue Kino am Steindamm, das 957 Zuschauern Platz bot. Neben einem prächtig gestalteten Zuschauerraum verfügte das Kino über ein großes Foyer mit Ticketkasse, Bar, zwei Garderoben, einer Sitzecke und einem schlauchförmigen, lichtdurchfluteten Gang hin zum Kinosaal.

Am 14. März 1957 wurde das Savoy Filmtheater mit einer glamourösen Gala mit zahlreichen bekannten Ehrengästen eröffnet. Die Einnahmen der Galavorstellung kamen der Filmkünstlernothilfe zu Gute. Gezeigt wurde eine Zusammenstellung von Todd-AO-Streifen, die durch ihre neuartige Technik dem Zuschauer den Eindruck vermittelten, er befinde sich mitten im Filmgeschehen und von den Premierengästen begeistert aufgenommen wurden. Der offizielle Eröffnungsfilm wurde jedoch in CinemaScope-35mm-Farbfilm gezeigt: The Brave One von US-Regisseur Irving Rapper. Im folgenden Jahr wurde eine Mischung aus Todd-AO- und Cinemascope-Filmen gezeigt. Darunter große Klassiker und Premieren mit illustren Gästen, wie Mario Moreno „Cantinflas“ Reyes, der in In 80 Tagen um die Welt den Passepartout spielte oder William Holden für seinen Film Des Königs bester Mann. Der plötzliche Tod des Erfinders des außergewöhnlichen Filmverfahrens Todd-AO, Mike Todd durch einen Flugzeugabsturz bedeutete das langsame Ende der Technik. Zwar führte seine Sohn die Geschäfte weiter, doch Updates der Technik sowie neue Filme blieben aus.

Kinobetreiber Herbert Steppan führte das Haus trotzdem erfolgreich weiter und rief 1958 einen eigenen Award ins Leben: den Hummel-Filmpreis. Erster Preisträger war Georges Skoura, Regisseur des Films Oklahoma!. 1960 gab Steppan aufgrund seiner schweren Diabetes-Erkrankung die Leitung des Kinos ab, kümmerte sich aber weiterhin um seine anderen Filmtheater. Durch die Kinokrise geriet seine offene Handelsgesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten und die meisten seiner Kinos wurden von seinem langjährigen Partner Heinz Riech weiter geführt. Nur wenige Jahre nach der Übergabe starb Herbert Steppan mit nur 59 Jahren nach langer schwerer Krankheit.

Ansonsten waren die 70er Jahre jedoch eine ruhige Zeit für das Savoy. Die größte Attraktion des Kinos in dieser Zeit war der Hauskater Sascha, der auch liebevoll „Pümmelchen“ genannt wurde und die Gäste, wenn er nicht gerade ein Schläfchen hielt, mit Maunzen Willkommen hieß. Neben der netten Begrüßung kümmerte er sich auch um Mäuse, die sich gelegentlich in das Kino verirrten. Heinz Riech, der im Laufe der 70er Jahre zum Chef der Düsseldorfer UFA-Kinokette aufgestiegen war, übernahm 1978 das Savoy Filmtheater und erteilte 1980 den Auftrag innerhalb von nur 21 Tagen für rund 21 Millionen D-Mark den einen vorhandenen Kinosaal und einen Teil des Foyers in fünf Einzelkinosäle umzubauen. Die einzelnen Säle hatten nun 461, 218, 138, 89 und 70 Plätze und wurden mit neuen Dolby-Tonanlagen ausgestattet. Man setzte fortan vermehrt auf Mainstream-Filme, aber auch Klassiker wie Vom Winde verweht oder Doktor Schiwago. Riech setzte die Witwe von Herbert Steppan für die Theaterführung und den Kassendienst im Savoy ein, wo sie bis zum Tod von Heinz Riech im Jahr 1992 beschäftigt war.

Die Nachfolger Riechs begannen 1994 zahlreiche Hamburger UFA-Häuser von Grund auf zu renovieren. Man kämpfte um jeden Besucher und die Zeit der Schachtelkinos war vorbei, also baute man das Savoy wieder auf das Original zurück. Im Souterrain behielt man einen kleinen zweiten Kinosaal und für die Wände, Teppiche und Stühle wählte man typisch für UFA-Kinos ein leuchtendes Rot. Das Filmtheater war in den Besitz einer Immobiliengesellschaft übergegangen und die Umgebung hatte sich im Laufe der Jahre stark verändert: Sexshops, Spielhöllen und der Straßenstrich dominierten das Bild und die ans Kino angeschlossenen Gästezimmer wurden Gerüchten zufolge nur noch stundenweise vermietet. Ende der 90er Jahre schien der Untergang des Kinos besiegelt, doch es kam anders. Der Geschäftsmann Harris Patscha kaufte das Kino 1998 und zeigte fortan nur noch indische und türkische Filme, mit denen er auf die vorherrschend in diesem Stadtteil lebenden Menschen reagierte. Das Programm wurde nicht in der Zeitung abgedruckt, sondern in Form von Handzetteln in ausgewählten Läden der Umgebung verteilt. 2003 wurde das Foyer vom neuen Inhaber S. S. Ahuja zu einem orientalischen Schnäppchenmarkt umfunktioniert, was aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen den weiteren Betrieb des Kinosaals unmöglich machte. Wenige Jahre später wurde das Gebäude dann endgültig geschlossen. Doch dies sollte nicht das Ende des Savoys sein.

2013 kaufte der enthusiastische Kinounternehmer Hans-Joachim Flebbe das Savoy und ließ es vier Monate lang für 1,2 Millionen Euro renovieren. Am 19. Juni 2013 wurde das Savoy Filmtheater schließlich mit Live-Auftritten und dem australischen Film The Sapphires wieder eröffnet. Besonders die Kinositze beeindrucken mit verstellbaren Rücklehnen und Sitzen in der ersten Reihe, die beinahe in Liegeposition gebracht werden können. Zwischen den Reihen besteht eine große Beinfreiheit, die letzten Reihen sind zusätzlich mit Beinhockern und Weinkühlern ausgestattet und vereinzelt findet man doppelsitzige „Schmusesessel“. Heute werden neben aktuellen Filmen, Klassiker wie Grease oder Stand by Me gezeigt sowie Aufzeichnungen britischer Theaterstücke wie Hamlet mit Benedict Cumberbatch oder Coriolanus mit Tom Hiddleston.

Auf der hauseigenen Homepage kann man eine kleine virtuelle Tour durch das Kino machen.

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Blick auf die Kasse und den Sitzbereich im Foyer © http://www.savoy-filmtheater.de/typo3temp/pics/6474298093.jpg

Homepage Savoy Filmtheater 

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Header: Blick aus dem Gang auf den großen Kinosaal © http://www.haz.de/var/storage/images/haz/hannover/fotostrecken-hannover/so-sieht-flebbes-neues-luxus-kino-aus/130731_savoy_-122-2/112542163-1-ger-DE/130731_Savoy_-122-2_FullView.jpg

 

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