Stars und Modedesigner haben bis zum heutigen Tag eine sehr intensive Beziehung zueinander. Bei jedem größeren Event der Filmbranche und bei Premieren liest man in Magazinen und im Internet von wem das atemberaubende Kleid stammt, das die persönliche Lieblingsschauspielerin getragen hat. Es ist eine gegenseitige Werbeaktion die beiden etwas bringt: der Designer hat eine wandelnde Werbefläche, die durch ihr eigenes Image in besonderer Art und Weise auf die Marke abfärbt und der Star, der die Kleidung, den Schmuck, die Schuhe, etc. trägt wird in vielen Magazinen abgebildet und dadurch noch berühmter. Meist sind es geschäftliche Beziehungen, aber manchmal entstehen Freundschaften daraus. Eine der schönsten Verbindungen ist die zwischen Audrey Hepburn und Hubert de Givenchy.
Eine Liebe die 40 Jahre lang bestand, nicht nur in modischer Form auf der Leinwand, sondern auch im Privatleben und über den Tod von Hepburn hinaus ging, durch die Ehrungen und die liebevollen Worte die Givenchy in Interviews seiner geliebten Audrey widmet. Doch nun von Anfang an.
Es ist der Sommer 1953. Audrey Hepburn feiert gerade einen großen Erfolg mit ihrer Filmrolle in „Roman Holiday“ (1953), für den sie ihren ersten Oscar gewinnen sollte und brilliert zudem in dem Bühnenstück „Gigi“, mit dem sie durch die USA tourt. Paramount Pictures ist auf der Suche nach einem geeigneten Script um Audrey zu besetzen, damit man schnell an den momentanen Erfolg anschließen kann. Man entscheidet sich für „Sabrina“, die Geschichte einer Chauffeurstochter, die sich durch einen zweijährigen Aufenthalt in Paris von einem Mauerblümchen in eine elegante junge Dame verwandelt, bei ihrer Heimkehr von den Söhnen, für die ihr Vater arbeitet nicht wieder erkannt wird und infolge dessen vor allem vom jüngeren, einem Playboy heftig umworben wird. Neben Audrey Hepburn wurden William Holden als jüngerer, flirtfreudiger Bruder und Humphrey Bogart als griesgrämiger, älterer Bruder besetzt. Billy Wilder übernahm die Regie und rief Edith Head, die bereits die Kostüme für „Roman Holiday“ entworfen hatte zu sich, um die Outfits für den Film zu gestalten. Head freute sich auf diese Möglichkeit, wie sie selbst in ihren Memoiren „Edith Head´s Hollywood“ (1983) festhielt, da die Geschichte des Films die Bühne bot, um viele verschieden Kostüme zu präsentieren und die Hauptdarstellerin die Figur eines Pariser Models hatte. Doch ihr Glücksgefühl sollte nicht von langer Dauer sein, denn Audrey hatte ihre eigene Idee, was die Garderobe betraf. Da ihre Filmfigur Sabrina mit Mode aus Paris in die Staaten zurückkehrt, schlug sie vor, der Authentizität wegen nach Paris zu reisen und die Mode tatsächlich von einem französischen Designer entwerfen zu lassen. Wilder, der selbst aus Alt-Österreich stammte und einen europäisch geprägten Geschmack hatte, auch was die Mode betraf, fand die Idee wunderbar und schon war die 24-jährige Hepburn auf dem Weg nach Paris. Neben der Chance Haute Couture auf der Leinwand zu tragen, konnte Audrey Hepburn auf diese Weise auch ihrer Leidenschaft für Mode frönen, vor allem Mode in einer Preislage, die sie sich damals noch nicht leisten konnte. Am Set von „Sabrina“ gab sie in einem Interview zu Protokoll, Mode wäre in einem so großen Ausmaß eine Leidenschaft und Liebe für sie, dass es schon beinahe ein Laster sei.
Diese Leidenschaft teilte sie mit dem jungen, aufstrebenden Modedesigner Hubert de Givenchy. Der aus aristokratischem Hause stammende Givenchy hatte seit seinem 10. Lebensjahr oder besser gesagt, seit dem für ihn sehr beeindruckenden Besuch der Weltausstellung 1937 in Paris gewusst, dass er einmal „etwas mit Mode“ machen wolle. Er studierte an der École de Beaux-Arts und arbeitete anschließend als „Lehrjunge“ bei Jacques Fath, Pierre Balmain und Christian Dior, bis er schließlich mit zarten 25 Jahren sein eigenes Atelier in Paris eröffnete und damit zum jüngsten Designer der angesagten Pariser Modeszene wurde. Im Sommer 1953 war der groß gewachsene, stets klassisch elegant gekleidete Hubert de Givenchy gerade mit der Gestaltung seiner nächsten Kollektion beschäftigt, als er einen Anruf von seiner guten Freundin Gladys de Segonzac erhielt, ihres Zeichens Vorstand des Modehauses Schiaparelli und Ehefrau des Chefs der französischen Paramount Studios. Segonzac informierte Givenchy darüber, dass Miss Hepburn in Paris gelandet ist und sich gerne mit ihm treffen möchte. Givenchy nahm an es handle sich um die große Katharine Hepburn und sagte zu. „Roman Holiday“ war zu diesem Zeitpunkt in Frankreich noch nicht in den Kinos, weshalb Audrey Hepburn hier völlig unbekannt war. Obwohl also eine andere Hepburn als erwartet das Atelier betrat, war der Moment der ersten Begegnung zwischen Audrey Hepburn und Hubert de Givenchy nicht weniger magisch. Givenchy erinnert sich noch genau an den ersten Eindruck, den er von Hepburn hatte: sie war sehr dünn, hatte wunderschöne Augen, kurzes Haar, buschige Augenbrauen und trug eine schmal geschnittene Hose, Ballerinas, ein T-Shirt und einen Strohhut wie in Gondoliere tragen, mit einem roten Band, auf dem groß VENEZIA stand…und Givenchy dachte: Das ist zu viel des Guten! Trotz dem Outfit, das seiner Meinung nach verbesserungswürdig war, mochten sich die beiden von Anfang an. Das spürte auch Dreda Mele, die damalige Chefin des Modehauses Givenchy, der Audrey wie eine aufblühende Blume erschien. In Meles eigenen Worten:
“She was lumineuse—radiant, in both a physical and spiritual sense. I felt immediately how lovely she was, inside and out. Though she came to Givenchy out of the blue, there is no doubt that they were made to meet. Audrey was always very definite in her taste and look. She came to him because she was attracted by the image he could give her. And she entered that image totally. She entered into his dream, too. I repeat, they were made for each other.”
Audrey Hepburn erzählte Givenchy die Story des Films und bat ihn Kleider für die elegante aus Paris zurückgekehrte Filmfigur Sabrina zu schneidern. So sehr Givenchy auch von seinem unerwarteten Gast angetan war, musste er ihr mitteilen, dass er nur über ein kleines Team verfügte, dessen Fähigkeiten er nun zu 100% benötigte, da er in Kürze seine neue Kollektion präsentieren wollte. Doch Audrey ließ nicht locker und bat ihn um eine Möglichkeit Kleider von ihm anzuprobieren. Givenchy stellte ihr schließlich ein paar Modelle aus der vorangegangenen Frühjahr/Sommer-Kollektion ´53 zur Verfügung.
Audrey begann mit einem Kostüm bestehend aus einem Rock und einer Jacke, beide aus dunkelgrauem Wollstoff und einem kleinen Hütchen in Turbanform aus grauem Chiffon.
Das Ensemble, das bei der Modenschau vom Model Colette Cerf getragen worden war, passte fast wie angegossen und Givenchy erinnert sich, an den magischen Moment als Audrey das erste Mal Haute Couture trug:
“The way she moved in the suit, she was so happy. She said that it was exactly what she wanted for the movie. She gave a life to the clothes—she had a way of installing herself in them that I have seen in no one else since, except maybe the model Dalma. The suit just adapted to her. Something magic happened. Suddenly she felt good—you could feel her excitement, her joy.”
Das nächste Modell, das Audrey wählte war ein trägerloses weißes Ballkleid, das über den Knöcheln endete, in der Mitte schmal und an den Seiten und hinten üppiger geschnitten war. Das Kleid war aus Organdy gefertigt und war am unteren Ende mit einem schwarzen Seidenblumenmuster bestickt.
Hepburn in einem weißen Ballkleid mit schwarzem Blumenmuster, zusammen mit William Holden im Film „Sabrina“ (1953) © http://tinyurl.com/p7uaq5a
Laut Dreda Mele, die das Kleid selbst einmal zu einem Ball getragen hatte, passierte im Atelier eine ähnlich märchenhafte Geschichte, wie sie für „Sabrina“ vorgesehen war. Kaum schlüpfte Audrey in diese edlen Kleider, veränderte sie sich, sah aus wie eine Prinzessin und strahlte vor Glück.
Die dritte Wahl fiel auf ein schwarzes Cocktailkleid mit kleinen Schleifen auf den Schultern und einer hoch geschnittenen Dekollete-Linie die fortan „décollete Sabrina“ heißen sollte. Givenchy meint, diese Linie hätte Audrey besonders gut gefallen, da sie ihre hervorstehenden Schlüsselbeine verbarg und dafür ihre tollen Schultern betonte, die in schönem Kontrast zu ihrem zarten Körperbau standen.
Hepburn im schwarzen Cocktailkleid mit Schleifen an den Schultern, zusammen mit den Leading Men Holden und Bogart im Film „Sabrina“ (1953) © http://tinyurl.com/q7tp42k
Obwohl das Kleid bei der Modenschau ohne Hut getragen wurde, kombinierte Audrey eine eng anliegende, mit Strasssteinen besetzte Kappe dazu.
Givenchy meint zu dieser Outfit-Entscheidung, dass Audrey immer etwas Interessantes und Unerwartetes zu ihrer Kleidung trug. Auch wenn sie Givenchy gerne und oft um seine Meinung fragte, wusste sie doch genau, wer sie war und was zu ihr und ihrem Wesen passte.
Billy Wilder war bis auf kleine Korrekturen vollends zufrieden mit der Auswahl der Kleider und Givenchy lud Audrey, die noch ein paar Tage in Paris zur Verfügung hatte zum Dinner in ein Bistro ein. Der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft. Man verstand sich auf Anhieb und brachte einander großes Vertrauen entgegen, als würde man sich schon ewig kennen. Audrey erzählte Givenchy von ihrer beginnenden Liebesaffäre mit Mel Ferrer und sagte ihm immer wieder, er sei wie ein großer Bruder für sie. Eine Empfindung, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Givenchy bewunderte Audreys Loyalität zu seiner Person und dem Haus Givenchy, wo sie vom ganzen Team geliebt wurde. Er sah sie nicht nur als Freundin, sondern als Schwester. Zu dieser Verbindung gehörte auch eine sehr große Portion Respekt für die Arbeit und das Wesen des jeweils anderen. So erzählt Givenchy:
“She was so disciplined, so organized, she never was once late for a fitting. When she needed things that I did not make—a sweater or maybe a trench coat—she’d take me shopping with her. Later, when she was married to Dr. Dotti and living in Rome, sometimes she needed something immediately and would go to Valentino. But she’d call me up first and say, ‘Hubert, please don’t be furious with me!’ We never together had an argument. She never considered ours a business relationship. When I launched the fragrance L’Interdit with her face as the image she never asked for any percentage or any payment.”
Auch Dreda Mele, die ebenfalls lange Zeit eine enge Vertraute von Givenchy war ist der Meinung, dass diese lange Freundschaft so gut funktionierte, weil sich die beiden sehr ähnlich waren: sie waren beide sehr exakt und konzentriert in ihrer Arbeit, sehr gut organisiert und legten in jeder Lebenslage gute Manieren an den Tag.
Audrey Hepburn war zeit ihres Lebens ein sehr selbstkritischer und verletzlicher Mensch. Selbstbewusstsein und Unterstützung fand sie bei ihrem Freund Hubert, den sie selbst einmal als ihren Psychiater bezeichnete und in Form seiner Kleidung auf der Leinwand, in der sie sich stark fühlte und durch die sie ihre Angst, keine gute Schauspielerin zu sein überwinden konnte.
Davon, dass sie eine wunderbare Schauspielerin ist, kann man sich heute noch überzeugen, wenn man einen Blick auf „Sabrina“ und ihre zahlreichen weiteren Filme wirft. Nicht nur die halbe Welt verliebte sich in Hepburn, die spätestens nach „Sabrina“ zu einer viel kopierten Stilikone avancierte, sondern auch ihr Kollege in eben genanntem Film, William Holden. Der zu dem Zeitpunkt bereits verheiratete Holden und die 11 Jahre jüngere Hepburn überlegten sogar zu heiraten, doch dazu kam es nicht, als Hepburn herausfand, dass sie aufgrund der Vasektomie Holdens keine Kinder mit ihm haben könnte. Stattdessen setzte sich ihre Liebesgeschichte mit Mel Ferrer fort, der ihr erster Ehemann wurde. Wenig verwunderlich: die Braut trug Givenchy.
Der Erfolg von „Sabrina“ hatte nicht nur enorme Auswirkungen auf Audrey Hepburn, die bei ihrem nächsten Film „War and Peace“ mit einer Gage von 350 000 Dollar zur damals bestbezahltesten Schauspielerin der Welt wurde, sondern auch auf Givenchy. Seine Kollektion war nach der Werbung durch den Film sehr gefragt und er hatte eine neue Muse gefunden, die seine weiteren Entwürfe beeinflusste und auch immer wieder selbst als Model seiner Designs fungierte.
Dass Edith Head den Oscar für „Bestes Kostümdesign“ für „Sabrina“ entgegen nahm, ohne Givenchy auch nur zu erwähnen, lässt die Grande Dame in keinem guten Licht erstrahlen. Dennoch minderte es Givenchys Erfolg nicht im Geringsten. Er war selbst überrascht, welche modetechnischen Auswirkungen seine Zusammenarbeit mit Hepburn hatte. Kein anderer Star mit dem er kooperiert hatte, wurde in einem solchen Ausmaß kopiert und für seinen Stil verehrt.
“I dressed so many other stars. Jennifer Jones, Lauren Bacall, Marlene Dietrich, Elizabeth Taylor—we had such problems with her, with the timing of her fittings. Not like Audrey, she was always late. And the essayages—with her poitrine—so difficult! But no one ever wanted to copy what I made for them. I once was asked to do a wedding dress in the same style as the Sabrina ball gown. For the marriage of her son, Meryl Lanvin asked me to make a version of the black Sabrina dress.”
Audreys Stil festigte sich noch mehr über die Jahre und Givenchy trug seinen Teil dazu bei, indem er sie für diverse Filme und auch im Privatleben ausstattete. So zum Beispiel für „Love in the Afternoon“ (1957)…
…dem Film der Hepburn endgültig zum Superstar machte: „Breakfast at Tiffany´s“ (1961)…
…ihrem wundervollen Duett mit Cary Grant „Charade“ (1963)…
Hepburn in einem gelben Wollkleid von Givenchy auf einem Promo-Foto zusammen mit Cary Grant zu ihrem gemeinsamen Film „Charade“ (1963) © http://tinyurl.com/pzt37dz
…für „Paris When It Sizzles“ (1964) der sie auf der Leinwand wieder mit William Holden vereinte…
…und “How To Steal A Million” (1966).
Die Liebe und das Vertrauen der beiden ging so weit, dass Givenchy nicht nur Kleider für wichtige Momente in Audreys Leben, wie der Taufe ihres ersten Sohnes entwarf…
…sondern auch von ihr als Verwalter ihres Testaments eingesetzt wurde. Seit den 70er Jahren hatte Hepburn nur noch wenige Filme gedreht und sich vermehrt ihrer Arbeit als UNICEF-Botschafterin gewidmet. Doch in den frühen 90ern fielen ihr die sowohl psychisch als auch physisch herausfordernden Reisen immer schwerer. Ende 1992 wurde bei ihr weit fortgeschrittener Darmkrebs festgestellt. Sie wurde operiert und unterzog sich einer Chemotherapie, doch all das half nur bedingt. Die Familie war durch den schnellen Verlauf der Krankheit wie gelähmt, weshalb Givenchy schließlich beschloss, seine sterbende Freundin in ihr Haus nach Tolochenaz in der Schweiz bringen zu lassen, da er wusste, sie wäre in dieser Situation lieber in ihren eigenen vier Wänden umgeben von Menschen, die sie liebt. Sie bedankte sich bei ihrem lieben Freund für diese Geste. Audrey Hepburn starb am 20. Januar 1993 und hinterließ eine große Lücke im Leben ihrer Familie und ihres „großen Bruders“. Wie dieser sichtlich gerührt in einem Interview 1995 sagte:
”Audrey’s silhouette is so strong. It doesn’t ever look passé. She is so present. It is difficult to think she is no longer with us—that I can no longer pick up the phone to call her. Her son Sean and I talk as if she is still alive. There are few people I communicate with this way—just my mother and Audrey. But I feel Audrey more strongly. Audrey is more recent. The force, the presence, the image, is so strong. I was just in Switzerland with Sean for the christening of his daughter—Emma Audrey. We were in the same church, with the same Protestant father, where Audrey was married. And where her funeral took place. Then we went back to her house. Her presence was there, too—the personality, the simplicity, the love she gave to the rooms. It was all still there. The emotion is still so strong.”
Hepburn und Givenchy verband eine Freundschaft und Liebe wie man sie selten findet, gerade im so kurzlebigen Showbusiness. Aus seiner wohlverdienten Pension ist Givenchy nur für Audrey zurückgekehrt, und zwar dieses Jahr mit einem Skizzenbuch, das er ihr gewidmet hat. Wahre Liebe währt eben ewig…in Büchern, Zeichnungen, Filmen und den Erinnerungen eines mittlerweile 88-jährigen Großmeisters der Mode.
Header: Audrey Hepburn und Hubert de Givenchy © http://tinyurl.com/qgfkcrt